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Ist wirklich etwas faul in der Community?

Bild von Markus Kohm

Seit einigen Wochen mehren sich in der TeX-Community Meldungen der eher negativen Art. Auch persönlich wurde die Ansicht an mich heran getragen, dass »in der Community etwas faul« sei. Teilweise kann ich das nachvollziehen, teilweise finde ich es auch bedenklich, gleichzeitig sehe ich aber auch die Notwendigkeit, zu relativieren.

Hier auf komascript.de selbst ist keine große Veränderung festzustellen. Auch von Admin-Seite her sind keine wirksameren Angriffe auf die Seite zu erkennen. Der Wettlauf zwischen Angriffen und Abwehrmechanismen ist weiter im Gange und weiter offen, hat sich aber nicht nennenswert verstärkt. Angestiegen ist allerdings die Zahl der offenkundigen Fake-Account-Anmeldungen. Ob der Anschein, dass wir diese meistern, korrekt oder ein Trugschluss ist, wird sich irgendwann zeigen. Aufgrund von gewissen Annahmen lag zunächst er Verdacht nahe, dass es sich dabei weniger um Angriffe auf die Serversoftware oder gar auf die Community auf komascript.de handelt, sondern sie eher gegen mich persönlich gerichtet sind. Allerdings zeigt ein Vorfall in einem Partnerforum, dass dort ähnliche Kräfte am Werk sind. Dadurch drängen sich nun zwei mögliche Szenarien auf. Entweder ist das dort aufgrund des Partnerseiten-Links geschehen, einfach weil hier bisher kein Erfolg zu erzielen war, oder die verantwortliche Szene hat tatsächlich neuerdings TeX-Foren oder allgemein technische Foren als neues, vermeintliches Opfer auserkoren. Beides wäre in der Tat unschön, ersteres wäre mir zudem sehr unangenehm.

Was mir gegenüber explizit geäußert wurde ist die Beobachtung, dass ein gewisses Anspruchsdenken um sich greife. Das kann ich allerdings nicht bestätigen. Es gab schon immer Anwender, die ihre Aufgaben auf die Helfer in Foren abwälzen wollten. Schon immer gab es Menschen, die nicht bereit waren, die Forensuche oder Internet-Suchmaschinen zu bemühen oder gar in Anleitungen nachzulesen. Wobei ich bezüglich der Qualität der Ergebnisse von Internet-Suchen gewisse Vorbehalte teile und ohnehin empfehle die Ergebnisse nicht unreflektiert zu übernehmen. Ich kann auch nicht feststellen, dass sich die Anzahl der entsprechenden Versuche, andere auszunutzen gesteigert hätte oder dass die Reaktionen, wenn solche Versuche auf Widerstand stoßen, insgesamt gröber werden würden.

Persönlich habe ich allerdings durchaus den Eindruck, dass einige wenige, durchaus langjährige Anwender besonders hartnäckig ihr Anspruchsdenken verteidigen und kultivieren und – lasst mich auch hier ganz unverblümt sein – dabei auch vor öffentlichen, recht garstigen Angriffen nicht zurückschrecken. Dazu kommen einige Benutzer – ich spreche hier bewusst nicht von Anwendern –, die jede Gelegenheit nutzen, gegen gewisse Helfer zu stänkern. Von beidem war ich auch selbst schon betroffen und in der Tat demotiviert mich so etwas so sehr, dass man auch sagen könnte, dass es mich geradezu deprimiert. Und ich bin offenbar nicht der Einzige. Wirklich neu sind beide Phänomene aber nicht. In meinen frühen Mailbox- und Usenetzeiten gab es das auch bereits. Damals war es allerdings noch unüblich, darauf politisch korrekt zu reagieren. Und die Community hat in solchen Fällen in der Tat dem Unruhestifter sehr schnell Grenzen aufgezeigt. Es kam allerdings auch vor, dass danach eine Gruppe faktisch nicht mehr existent war oder Wochen gebraucht hat, sich davon zu erholen.

Trotzdem, was ich tatsächlich beobachten kann, ist dass einige Helfer zunehmend müde oder – nennen wir es beim Namen – gereizt werden. Einige Helfer in anderen Foren haben diesen bereits eher im Stillen aber teilweise auch mit einigem Aufsehen den Rücken gekehrt. Das kann ich auch durchaus nachvollziehen. Nach einer gewissen Zeit, nervt es einfach, Neulingen immer wieder die gleichen wichtigen Informationen aus der Nase zu ziehen. Irgendwann hat man keine Lust mehr, genau darüber aber auch über die eigenen Lösungsvorschläge länger zu diskutieren als man für die Lösung selbst dann braucht. Irgendwann hat man auch keine Lust mehr, die immer gleichen Fehler in den gezeigten Code-Ausschnitten zu erklären, bevor man sich dem eigentlichen Problem zuwenden kann. Irgendwann nervt es gewaltig, wenn diese Fehler dann trotz aller Hinweise bei der nächsten Frage desselben Fragestellers wieder auftauchen. Irgendwann nervt es ganz gewaltig, sich dafür rechtfertigen zu müssen, dass man nicht jedem Hilfesuchenden erst einmal Honig ums Maul schmiert und die eigene Kritik nicht hinter vielen Lagen buntem Geschenkpapier und wohlriechenden Düften weitgehend unkenntlich verbirgt. Das oben bereits genannte, demotivierende Verhalten einzelner macht das nicht besser.

In einer solchen Situation kann dann durchaus bereits eine kleiner inhaltlicher Disput mit einem anderen Helfer, das Fass zum Überlaufen bringen. Dass Helfer sich nicht bei allem einig sind, ist dabei ganz normal. Dass nahezu kein Helfer bei den vielen Hilfestellungen, die er ständig leistet, komplett vor eigenen Fehlern gefeit ist, liegt in der Natur und der Komplexität des Themas. Wie schon Goethe im Urfaust schreibt: »Es irrt der Mensch, solang er strebt.« Da sollte eine Diskussion zwischen Helfern eigentlich kein Problem sein. Man sollte davon ausgehen, dass sich alle gegenseitig respektieren und Missverständnisse leicht auszuräumen sind. Leider scheint bei einigen aber das Fass bereits vorab so voll zu sein, dass sie darin dann so etwas wie einen Brudermord wittern. Das kann zu schwer nachvollziehbaren Reaktionen führen. So ließen Helfer bereits ihre sämtlichen Antworten in Foren löschen (oder haben es selbst erledigt) und haben damit Jahre eigener Arbeit sinnlos vernichtet. Auch andere unsinnige Aktionen, die sich letztlich gegen den Ausführenden selbst oder das eigene Wirken richteten, wurden schon beobachtet.

Ist also wirklich etwas faul in der Community? Ganz sicher. Faul war schon immer etwas. Aber ist es mehr? Das ist für mich schwer zu sagen.

Da ich selbst bei mir derzeit deutliche Anzeichen dafür erkenne, dass meine Schmerzgrenze wieder einmal längst überschritten ist, werde ich mir in den nächsten Wochen eine Auszeit verordnen. Selbst hier auf komascript.de wird es von mir in den nächsten 14 Tagen nur in Ausnahmefällen oder mit Verzögerung Antworten geben. Andere Foren werde ich gar nicht erst lesen. Auch die Bearbeitung von E-Mails wird verzögert geschehen. Was ich nicht zeitnah lese, kann ich erst recht nicht zeitnah beantworten. Umgekehrt besteht dann aber auch nicht der selbst auferlegte Zwang, zeitnah auf alles reagieren zu müssen. Weitgehend unbemerkt, aber keineswegs im Stillen habe ich das in der Vergangenheit immer wieder einmal durchgezogen und es hat beim Aufladen der Batterien sehr geholfen. Dank Smartphone gehört dazu inzwischen aber in der Tat eine gewisse, ganz bewusste Disziplin. Einen solchen möglichst weitreichenden Urlaub vom Netz kann ich allen genervten Mitstreitern sehr empfehlen.

Bis demnächst
Markus

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